Vernetztes Erinnern in der 4A
In einem fächerübergreifenden Projekt (Deutsch & Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung) arbeiteten die Schüler:innen der 4A-Klasse an historischen und literarischen Inhalten zum Leben im Zweiten Weltkrieg. Aufbauend darauf wurde ihnen die Aufgabe gestellt, in Form einer Zeitreise vom heutigen demokratischen Staat Österreich ins nationalsozialistische Deutschland zu „reisen“ und einen Brief an eine:n Freund:in zu schreiben, um die Erlebnisse und Beobachtungen der damaligen Zeit zu verarbeiten. Drei Texte konnten prämiert werden, wir gratulieren Julian zum dritten, Greta zum zweiten und Eleonora sehr herzlich zum ersten Platz im klasseninternen Wettbewerb. Als Belohnung gab es eine verdiente Medaille und ein passendes Buch zum Thema.
Prof.Benjamin Fliri & Prof. Severin Schmuck
Hier der Gewinnertext von Eleonora (4A):
An meine lieben Gleichaltrigen, die sich nicht damit zufriedenstellen, was sie haben!
Ich sitze gerade am Boden in meinem Zimmer, nur ein ganz kleines Licht ist an. Ich schreibe diesen Brief auf normalem Papier – ja, ganz normal. Ich will es gar nicht auf Insta, Snapchat oder sonst etwas posten. Bis gerade eben habe ich gar nicht an unser „wichtiges“ Smartphone gedacht. Das ist eigentlich nicht notwendig. Die Menschen früher, dort wo ich gestern noch war, hatten das auch nicht. Übrigens: Zu meinem Glück war ich „undercover“ dort, die Leute konnten mich nicht sehen. Ich war unsichtbar.
Ich war nämlich im 2. Weltkrieg in Deutschland. Warum? Wie? Das weiß ich nicht mehr. Vielleicht möchte ich es auch verdrängen und alles, was ich gesehen habe, auch. Doch das wäre, denke ich, nicht das Ziel von dem, der mich in die Zeit zurückgeschickt hat. Dessen Ziel war es sicher, dass ich es hier, in unserem demokratischen Staat erzähle, was ich zu Augen bekam. Unsere Generation soll sehen, wie gut sie es hier hat. Warum?
Weil die Menschen dort nicht mehr frei leben konnten. Leute, die Juden waren, wurden verfolgt, in Konzentrationslager geschickt, zutiefst gedemütigt und ermordet. Dorthin wurden beispielsweise auch Homosexuelle gebracht, diese wurden als psychisch krank bezeichnet. Oder auch Männer, die nicht kämpfen wollten. Leute, die eine Beeinträchtigung hatten, wurden für Menschenversuche benutzt. Vor drei Tagen war ich in einer „Kinderklinik“, ein Arzt kam herein und gab den kleinen Kindern mit Behinderung Spritzen. Sie wurden als Reichsausschussware bezeichnet, wie als wären sie in einem Kleidungsgeschäft von Menschen im Sale. Bitte hört auf, das Wort „behindert“ als Beleidigung zu benutzen! Ich konnte nicht mehr zusehen, also lief ich hinaus. Auf der Straße begegnete ich einem Jungen und seiner Mutter und sah, wie sie darüber stritten, ob er in die HJ darf. Er möchte „ein echter Nazi“ werden, meinte er, wie sein Vater. Ein außenstehender Mann mischte sich ein, vermutlich ein überzeugter „Hitler-Fan“, und sagte: „Lass doch den jungen Burschen und bekomm lieber noch mehr deutsche Kinder, du Geburtsmaschine!“ Ich war wieder so schockiert, ihr glaubt das nicht!
Eine andere Familie, die überhaupt nicht vom Plan Hitlers überzeugt war, hatte auch einen 8-jährigen Sohn, welcher in die HJ musste. Er fühlte sich dort überhaupt nicht wohl und erkannte bald, dass die Nazis ihn und seine Kameraden nicht für Spiele dort haben, sondern um sie zu Kriegern auszubilden. Ein Kind als Soldat? Ja, du hast richtig gehört. Sehr bescheuert! Als ich die Jungen gerade beobachtete, traute der Kerl sich zu sagen, was ihn störte und wie blöd es in der HJ war. Er wurde ausgeschlossen, sofort. Von seinen eigenen Freunden. Unfair, stimmt’s?
Auch andere, tapfere, mutige und sich einsetzende Menschen wurden „ausgeschlossen“, weggesperrt und getötet. Nur weil sie ihre Meinung beziehungsweise die Realität aussprachen. Sophie Scholl, ihr Bruder und deren Studienfreund bekamen die Todesstrafe. Das, was ich sah, traumatisierte mich sehr. Die drei Studenten verteilten Flugblätter. Sie wollten Deutschland aufwecken, wie ein paar andere. Doch die Nazis wollten es nicht einsehen. Wahrscheinlich hatten sie selbst Angst vor etwas Besserem und Klügerem. Das weiß man nicht.
Aber was man weiß, ist, dass so etwas nie wieder passieren sollt! Und deshalb mache ich mich nun auf den Weg mit unzähligen Kopien dieses Briefes, um sie als Flugblätter auf dem Unicampus zu verteilen.
Nora